Die Vorläufer der Realschule
Aus einer ersten, von Mönchen gestifteten, spätmittelalterlichen Schule in Nordorf soll sich die Esenser Volksschule entwickelt haben, die später an den nordöstlichen Rand des Kirchhofs verlegt worden sei. Nachrichten von der Lateinschule vor ihrer Neuordnung (oder Gründung?) im Jahre 1581 sind unsicher. 1712 unterrichteten an der Lateinschule vier Lehrer in drei Klassen. 1713/14 gründete Pastor Christian Wilhelm Schneider seine „Waisenhaus- und Armenschule“, die von 110 Schülern besucht wurde. Beide Schulformen existierten jahrzehntelang nebeneinander. 1838 gab es in Esens vier Schulen: die Präzeptorschule im Waisenhaus (120 Schüler), die Rechenmeisterschule für kleine Knaben und alle Mädchen bis zum Ende der Schulzeit (180 Schüler und Schülerinnen), die Kantorschule, nur für Knaben bis zum 14. Lebensjahr, und die Rektorschule (20 Schüler). Daraus wurde nach Auflösung der Waisenhausschule 1838 die „Esenser Stadt- und Kirchspielschule“ mit vier Volksschulklassen, einer Rektorklasse und einer höheren Töchterklasse gebildet.
1847 zwang Raumnot zum Bau eines größeren Schulhauses. Da dieses 1860 durch Brand zerstört wurde, baute die Gemeinde 1866 an seiner Stelle eine neue Volks- und Rektorschule, die 1906 nach Osten hin erweitert wurde.
Von der Gründung der Realschule bis heute
Die Realschule wurde nach Auflösung der gehobenen Klassen der Volksschule 1924 als Mittelschule gegründet. Da ihr Schulgebäude 1943 den Bomben zum Opfer gefallen war, zog die Mittelschule 1948 in das teilweise wieder aufgebaute ehemalige Landjahrheim an der Waisenhausstraße ein. Diese Mittelschule erfuhr seit 1950 mehrfache Erweiterungen. Zum 25-jährigen Bestehen im Jahr 1951 erhielt die Mittelschule einen neuen Namen und man entschied sich für „Carl-Gittermann-Realschule“.
1969 begann mit dem 1. Bauabschnitt der Ausbau einer neuen Mittelschule an der Walpurgisstraße, die 1972 bezogen werden konnte. Das alte Schulgebäude in der Stadtmitte beherbergt heute das „Haus der Begegnung“.
Infolge der Schulreform im Jahre 2003 zog die Realschule in das Gebäude der ehemaligen Orientierungsstufe ein. In das alte Realschulgebäude zog wiederum die Hauptschule „Herbert-Jander-Schule“ ein. Seit 2007 sind beide Schulen durch einen modernen Anbau mit großzügigem Pausenbereich, Mensa, gemeinsamer Schulbibliothek und weiteren Fach- und Funktionsräumen miteinander verbunden.
(Nach Gerd Rokahr: Quelle)





Wer war Carl Gittermann?
“Auch wir hier in Stadt und Land wollen unerschütterlich festhalten an Deutschlands Einheit, wollen uns scharen um das gemeinsame schwarz-rot-goldene Banner. Denn, wie auch hier vorn an der Tribüne zu lesen steht: Durch Freiheit zur Einheit ! Der Güter höchstes aber ist die Freiheit !”
Diese mutigen Worte sprach Carl Gittermann am 20.05.1849 auf dem Esenser Marktplatz, wo sich die Bürgerschaft der Stadt in großer Zahl zu einer Kundgebung für die neue deutsche Reichsverfassung zusammengefunden hatte. Gittermann, der liberal eingestellte Präsident der Esenser Bürgerwehr und Rektor der Lateinschule, musste seinen Aufruf zur Freiheit und Einheit Deutschlands teuer bezahlen. Wegen Verletzung der Amtsehre steckte die konservative Regierung ihn für 14 Tage ins Gefängnis. Da Rektor Gittermann keinen Unterricht ausfallen lassen wollte, saß er seine Strafe während der Ferien ab. Als er nach Esens zurückkam, war die Stadt mit Flaggen geschmückt. Jubelnd empfingen die Esenser ihren Vorkämpfer für Freiheit und Demokratie.
Wer war nun dieser Carl Gittermann? Geboren wurde er am 30.10.1816 als Sohn eines Pastors in Dornum. Er studierte Theologie und Geschichte in Göttingen und wirkte dann als Hilfsprediger in Carolinensiel und Eggelingen, bis er 1848 als Rektor an die Lateinschule in Esens berufen wurde. Sein energischer Kampf für seine freiheitliche Politik brachte ihn oft in Schwierigkeiten mit der Regierung. Auch als Vertreter einer modernen Theologie hatte er manchen Kampf mit seinen geistlichen Vorgesetzten auszufechten.
Enttäuscht verließ er Esens, nachdem er 1870 aus seinem Amt als Rektor entfernt worden war. Carl Gittermann wurde Lehrer an der Seefahrtsschule in Leer, wo er am 18.März 1892 starb. In seinem Beruf hatte Carl Gittermann keine große Karriere gemacht. Die Esenser verehrten ihn aber trotzdem, weil er unbeirrbar seiner Überzeugung treu blieb und für Freiheit und Fortschritt kämpfte, obwohl er dafür persönliche und berufliche Nachteile in Kauf nehmen musste. Die Stadt Esens ehrte ihren tapferen Bürger, indem sie eine Straße nach ihm benannte und der früheren Mittelschule 1951 den Namen „Carl-Gittermann-Realschule“ gab.
